»Vom Können und Sollen« — die Stiftungsrede 2024

Prof. Dr. Alena Buyx nutzt die Stiftungsrede für einen flammenden Appell an die Stiftungen

 

Prof. Dr. Alena Buyx, Medizinethikerin an der TU München und Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, zählt seit Jahren zu den wichtigen Stimmen im Land. Zum Auftakt der 15. Berliner Stiftungswoche im Roten Rathaus hat sie ihre Stiftungsrede genutzt, um den anwesenden Vertreter*innen der  Stiftungsszene klare Botschaften ins Stammbuch zu schreiben. Der langanhaltende Applaus hat gezeigt, dass der Appell angekommen ist.

Alena Buyx startete gleich mit einer zentrale Kernaussage, die sie als „Take home message“ dem Publikum gewissermaßen als Hausaufgabe mit den Weg gab: „Es gibt wahnsinnig viele Probleme, und Stiftungen und andere Formen der Zivilgesellschaft sind die Lösung!”

Im weiteren Verlauf der Rede hat sie diesen Einstieg weiter aufgefächert: Da Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aus ihren Zwängen nicht herauskommen, sollen, ja müssen es demnach Stiftungen richten. Alena Buyx bescheinigt den Stiftungen eine einzigartige Zielsetzungs- und Gestaltungsfreiheit – im Vergleich zu allen anderen Gesellschaftsbereichen. Stiftungen können demnach schnell und flexibel Projekte anstoßen. In dieser Form wäre dies undenkbar im Wissenschafts- oder Politikbetrieb. Außerdem können Stiftungen multidisziplinär arbeiten, Out of the box-Visionen entwickeln, Experimente wagen und symbolische Momente schaffen.

Diese normative Ebene hat sie empirisch für fünf Themenfelder durchgespielt. Ihre Aufgabenliste für den Stiftungssektor umfasst denen folgende Bereiche:

>Gesellschaftlicher Zusammenhalt

>Einsamkeit: mit physischen wie psychischen Auswirkungen und sogar mit Effekten zur Anfälligkeit für extreme politische Positionen

>Sozial-ökologische Transformation: Dazu gehört es auch. Vorstellungen von einem guten, gelingenden Leben entwickeln

>Pluralität und Demokratie: die Wiederbelebung des konstruktiven Streits

>Migration neugestalten und verstehen: raus aus der „toxischen“ politischen Diskussion

>Umgang mit Dysfunktionalitäten in Verwaltung und Staatswesen: Denn obwohl der Stiftungssektor selbst unter der Bürokratie leidet, sieht Alena Buyx ihn als einzigen Player, der eine Lösung, das heißt einen Ausweg aus dem Dickicht der Vorschriften und Regulierungen finden könne. So Alena Buyx: „Da müssen Juristen ran, und jetzt fange ich an zu flehen: Bitte machen Sie das!“
 

Zum Ende der Rede fokussierte sie ihren eindringlichen Appell: „Normalerweise sagt man ‚Sollen setzt Können voraus‘. Das drehe ich nun um: ‚Können bedeutet Sollen‘. Sie haben die Verantwortung, das zu tun!“

Im anschließenden Podiumsgespräch mit Joe Chialo, Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, moderiert von Dr. Katja Naie (Schering Stiftung), ging es dann noch unter anderem um das Thema Kommunikation. Senator Chialo erinnerte exemplarisch an die „unglaubliche Leistung“ der Zivilgesellschaft bei der Aufnahme der Flüchtlinge aus der Ukraine. Dies hätte allerdings sehr viel mehr kommuniziert werden müssen, auch auf Social Media, resümierte Alena Buyx, denn: „Zusammenhalt ist ein Gefühl, das man hebeln muss.“

Die Stiftungsrede und das anschließende Interview sowie die weiteren Programmpunkte wurden vom Publikum im Festsaal des Roten Rathauses mit langem Beifall bedacht; ein inhaltlich inspirierender Auftakt zur 15. Berliner Stiftungswoche.

 

Quelle: u.a. Deutsches Stiftungszentrum (LinkedIn vom 18.4.2024)