»Ich kann mein persönliches Engagement mit meinen persönlichen Fähigkeiten verbinden – deshalb arbeite ich im Ehrenamt!«

5 Gesichter, 5 Geschichten – Engagement im Stiftungssektor kennt die unterschiedlichsten Formen: Jean-Philippe Laville ist ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung Neukölln. Seit rund 20 Jahren engagiert er sich in seinem Kiez für mehr Beteiligung. Was mit einer Elterninitiative begann, ist heute aus dem Kiez nicht mehr wegzudenken.

 

Was waren Ihre Motive, sich genau dort zu engagieren?
2002 haben meine Frau und ich in Neukölln einen deutsch-französischen Elterninitiative-Kindergarten gegründet und in diesem Zusammenhang wurde ich von ein paar Leuten angesprochen, die im Bezirk eine Bürgerstiftung gründen wollten. Da wollte ich mich auch engagieren und so wurde 2005 tatsächlich die Bürgerstiftung Neukölln mit rund 75 Gründungsstifter*innen, Einzelpersonen, ein paar Unternehmen und einige Institutionen gegründet. Als der erste Stiftungsvorstand gewählt wurde, war ich auch dabei. Und ich bin dabei geblieben, seit 2019 als Vorstandsvorsitzender, immer noch im Ehrenamt.

Wie hat sich das Ehrenamt in den vergangenen 20 Jahren gewandelt? Kamen vielleicht neue Themen dazu oder gibt es jetzt vielleicht andere Prioritäten?
Eine der grundlegenden Ideen der Bürgerstiftung Neukölln war, dass man einen Bezirk schafft, in dem alle Menschen ihre Nachbarschaft aktiv gestalten und sich jeder entfalten kann. Diese Idee hat sich nicht verändert, sie ist gleichermaßen lebendig geblieben.
Was sich verändert hat, ist tatsächlich der Bezirk. Als wir den Kindergarten gegründet haben, sind ganz langsam Familien vom Prenzlauer Berg nach Neukölln gezogen. Da war der Bezirk noch ein Geheimtipp mit viel Leerstand und günstigen Mieten. Das hat sich verändert. Neukölln ist noch diverser und internationaler geworden.   Viele wollen sich engagieren. Aber die Projekte der Bürgerstiftung, wie zum Beispiel die Mentorenprojekte oder die Neuköllner Talente, sind weiterhin aktuell und gerade jetzt besonders wichtig. Die sozialen Medien spielen eine immer größere Rolle für die Kommunikation und steigern den Bekanntheitsgrad der Bürgerstiftung.

Sind die Projekte und die Beteiligung in den letzten Jahren aufwendiger geworden?
Vor der Pandemie waren die Projekte leichter umzusetzen. Da sind die Projektleiter*innen einfach in die Schule gegangen, wir haben Termine mit den Schulleiter*innen und Lehrer*innen gemacht, die dann wiederum für die Angebote der Bürgerstiftung geworben haben. Jetzt sind die Projekte mehr an einen Eins-zu-eins-Kontakt geknüpft, mit den Eltern und mit den Kindern. Treffen zu organisieren, ist aufwendiger geworden, aber es funktioniert trotzdem.
Für die Stiftungsorganisation war die schnelle Digitalisierung in den letzten Jahren allerdings von Vorteil. Treffen mit unterschiedlichen Gruppen, Stakeholdern oder Mitarbeiter*innen sind in digitaler Form leichter geworden. Klar, der Arbeitsaufwand bleibt, das hat sich nicht verändert. Aber wir merken, dass diese elektronischen Mittel, die wir haben, Engagement auch unterstützen können.

Sicher, für die ehrenamtliche Arbeit auf der Ebene bedeutet das natürlich mehr Effizienz. Dieser positive Aspekt der Digitalisierung wird eher selten angesprochen…
Ja, gerade junge Leute können wir so mehr aktivieren. Es bietet auch mehr Flexibilität, wenn ich nicht extra einen Raum organisieren muss und dann die unterschiedlichen Gruppen zu einem gemeinsamen Gespräch animieren muss. Außerdem ist es online viel einfacher, regelmäßige und konzentrierte Treffen anzusetzen. Da geht es nur um das Projekt und alle sind bei der Sache.

Dieses Jahr lautet das Schwerpunktthema der Berliner Stiftungswoche „Ganz schön persönlich“. Was war denn für Sie zuletzt ganz schön persönlich?
Mein Engagement für die Bürgerstiftung Neukölln ist prinzipiell persönlich. Jedes Projekt, das wir unterstützen und etablieren ist mit persönlichen Erfahrungen besetzt – von der Kindergartengründungvor über 20 Jahren bis zu dem aktuellen Projekt „Neuköllner Talente“. Ich freue mich, wenn die Menschen zusammenrücken, wenn sie sich austauschen, wenn sie voneinander lernen. Und all das in dieser Zeit, in der die Kommunikation oftmals nicht so leicht ist.
Vor einigen Jahren bekamen wir die Möglichkeit, unsere Projekte und die großen Ziele der Bürgerstiftung Neukölln in einem internationalen Rahmen vorzustellen. Das war wiederum ein großes Projekt auf EU-Ebene und es war wunderbar, sich mit ähnlichen Akteuren aus Frankreich, Italien und vielen weiteren Ländern auszutauschen, neue Ideen mit nach Hause zu bringen und hier weiterzuentwickeln.

Was würden Sie sich für die Zukunft der Bürgerstiftung Neukölln und für die Berliner Stiftungslandschaft wünschen?
Die Umsetzung unserer Kinder- und Jugend-Projekte ist komplett von Spenden abhängig. Und natürlich wünsche ich mir, dass wir immer genug Mittel haben werden, um alles finanzieren zu können, vor allem von Spendern, die sehen, wie sich Neukölln in den letzten Jahren entwickelt hat und erkennen, welch wunderbare Möglichkeiten des Zusammenlebens hier gegeben ist.
Für die Berliner Stiftungslandschaft würde ich mir tatsächlich wünschen, dass sie noch mehr erkennt, welches Potenzial in der ehrenamtlichen Arbeit steckt. Man kann zum Beispiel sein berufliches Know-how einsetzen, seine Zeit investieren. Ich arbeite übrigens im IT Projekt- und Changemanagement-Bereich und zusammen mit einem ehemaligen Vorstandskollegen haben wir die Arbeitsweise und Prozesse in der Stiftung während der Pandemiezeit noch weiter digitalisiert. So kann ich mein ehrenamtliches Engagement perfekt mit meinen   persönlichen Fähigkeiten verbinden.